Wild Gunman


von Phil
23.10.2016

Mit Wild Gunman erschien gleich in den frühen NES-Tagen einer von mehreren Titeln der sogenannten „Light Gun Series“, die Nintendos hauseigene Zubehörpistole, den futuristisch anmutenden „NES Zapper“ ins Rampenlicht rücken sollte. Somit kann der Shooter durchaus als Schwesterspiel des etwas bekannteren Duck Hunt und weiterer Serienableger wie Hoagan’s Alley bezeichnet werden. Wie Titel und Cover bereits vermuten lassen, hat man für Wild Gunman das Setting des Wilden Westens auserkoren, wo es zahlreiche Gesetzeslose per Feuergefecht in ihre Schranken zu weisen gilt. Seinen Ursprung hat Wild Gunman übrigens in japanischen Spielhallen, denn der NES-Titel basiert auf einem elektromechanischen Projektionsspiel, das 1974 vom legendären Game Boy Erfinder Gunpei Yokoi entworfen wurde und sozusagen den Urgroßvater von neueren Light Gun Shootern wie SEGAs „House of the Dead“ und anderen Genrevertretern darstellt.

Wie für viele frühen First Party Titel üblich, hat man über den Titelbildschirm die Wahl zwischen drei verschiedenen Spielmodi. In Game A tritt der Spieler in aufeinander folgenden Runden im Einzelgefecht gegen verschiedene Herausforderer einer Banditengang inmitten einer kargen Steppenlandschaft an. Dabei trifft man auf im Cartoonstil deutlich überzeichnete Revolverhelden, die sogar über Ansätze von Charakter verfügen – vom kaum ernst zu nehmenden Angsthasen der Gruppe bis hin zum harten Bandenboss. Ziel ist in jeder Runde, jeweils schneller zu ziehen, zu zielen und den Trigger abzudrücken als der Kontrahent. Dabei erfährt man bereits beim Einlaufen des nächsten Gegners, wie lange dieser nach dem tatsächlich klar und deutlich hörbarem Kommando „Fire!“ und einem gleichzeitigen Augenblinzeln benötigen wird, um den Spieler abzuschießen. Da sich die Gesetzeslosen vor dem Showdown nicht weiter bewegen, läuft dieser Modus auf einen reinen Reaktionstest hinaus, der von Runde zu Runde aufgrund immer kürzerer Gnadenfristen der Gegner schwieriger wird. Gewähren einem die Schurken zunächst noch mehr als eine Sekunde Reaktionszeit, trifft man recht schnell auf Widersacher, die binnen weniger als einer halben Sekunde abdrücken. Dies führt dazu, dass man schnell nur noch eine Chance hat, wenn man in schwierigen Runden auf gut Glück abfeuert, in der Hoffnung, nicht vor dem Signal geschossen zu haben. Hat man schließlich in drei Duellen das Nachsehen gehabt oder aber zu früh, das heißt vor dem „Fire!“-Kommando einen Schuss abgefeuert, heißt es Game Over. Je schneller man im Vergleich zum Opponenten abgedrückt hat, desto höher lässt sich über die Runden der High Score treiben.

Game B ist im Grunde genommen eine leichte Variation von Game A, die allerdings deutlich herausfordernder ist. Setting, Spielprinzip und Regeln sind mit Game A identisch, mit dem Unterschied, dass man nun gegen zwei Gesetzeslose gleichzeitig antritt. Beide Gegner ziehen außerdem unterschiedlich schnell, was einem ebenfalls vor jeder Runde angezeigt wird. Herausforderung ist es insbesondere, im Eifer des Gefechts die Präzision beizubehalten und sich nicht verrückt machen zu lassen. Letzteres ist vor allem auch deswegen unabdingbar, da es gelegentlich vorkommt, dass nur einer der beiden Kontrahenten das Schießeisen tatsächlich zückt - in diesen Fällen wird ein Abschuss des vermeintlich Unbeteiligten ebenfalls als Foul gewertet, was das Vordringen in spätere Runden deutlich erschwert.

Game C hingegen bietet gegenüber den zwei ersten Modi eine gänzlich andere Spielvariante. Eine ganze Bande an Widersachern hat sich in einem Saloon verschanzt und die Gangmitglieder poppen nun ohne Vorwarnung, teilweise auch gleichzeitig, aus einem von fünf Fenstern beziehungsweise Türen auf, um Schüsse auf den Spieler abzufeuern. Pro Runde gilt es, alle Widersacher zu erwischen ohne selbst einen Treffer hinnehmen zu müssen. Fehlschüsse sind dabei aufgrund begrenzter Munition, die am unteren Bildschirmrand durch eine Reihe an Patronen dargestellt wird, tunlichst zu vermeiden. Game C bietet somit noch einmal eine gelungene und etwas mehr auf Action fokussierte Abwechslung zu den doch eher statischen, wenn auch mit einem höheren Nervenkitzel verbundenen ersten beiden Spielmodi. Auch hier wird es natürlich mit jeder erfolgreich absolvierten Runde schwieriger, schnell genug zu reagieren, um allen Feinden den Garaus zu machen.

In allen Gefechten muss mit der Light Gun ziemlich präzise gezielt werden - zu große Abweichungen vom optimalen Schusswinkel werden vom Spiel nicht toleriert, zumal die NES Pistole schon seinerzeit nicht für hundertprozentige Zuverlässigkeit bekannt war. Aufgrund der statischen Ziele lassen sich Treffer aber etwas einfacher erzielen als etwa in Duck Hunt, in welchem der Fokus auf beweglichen Zielen liegt. Vom unterschiedlichen Setting abgesehen, ist dies wohl auch der größte Unterschied der beiden Titel. Während die Ganoven aus dem Wilden Westen stets an vordefinierten Positionen verharren, fliegen die Enten aus Duck Hunt von einem Bildschirmrand zum anderen. Der Schwierigkeitsgrad in Wild Gunman ergibt sich da eher aus der hohen Reaktionsgeschwindigkeit, die dem Spieler abverlangt wird.

Da die Anzahl an tatsächlich verschiedenen Banditentypen über alle Spielmodi hinweg auf nur magere fünf Stück begrenzt ist und sich diese in den späteren Runden einfach nur noch wiederholen, landet man zwangsläufig in allen drei Spielvarianten relativ schnell in Endlosschleifen an gleichem Inhalt. Entsprechend schnell hat man alles gesehen, so dass sich Wild Gunman allenfalls als Lückenfüller und Gelegenheitsspiel eignet. In kleinen Dosierungen ist die Schießerei aber durchaus spaßig. Allerdings macht sich stets sehr schnell der Eindruck breit, dass man - natürlich auch abhängig von den eigenen Reflexen - ab einer gewissen Rundenzahl keine Chance mehr hat, die Duelle für sich zu entscheiden. Allzu oft bekommt man in späteren Runden – ungewohnt ernst für einen First Party Titel – wiederholt einen Ausschnitt von Frédéric Chopins berühmtem Trauermarsch auf die Ohren, während sich der Bildschirm blutrot färbt – ohne daran zu glauben, es beim nächsten Versuch besser machen zu können.

Technisch gesehen reißt der Titel verständlicherweise allein aufgrund seines frühen Erscheinungsdatums keine Bäume aus. Grafisch ist der Shooter wie die weiteren Vertreter der frühen Light Gun Series höchst simpel gehalten und aufs Nötigste reduziert. Dies versprüht in Verbindung mit dem arcadelastigen Charakter des Spiels aber dennoch einen liebenswerten Retro-Charme. So sieht etwa das langsame Eintippeln der Banditen vor Start einer Runde unter Ertönen eines passenden, spannungsaufbauenden Jingles zum Showdown unfreiwillig ulkig aus. Auch bei den humorvollen Animationen nach Abschießen der Gegner hat man sich Mühe gegeben - die Kontrahenten fegt es entweder gleich von den Beinen, sie verlieren ihre Kopfbedeckung oder lassen sogar wortwörtlich notgedrungen die Hosen runter.

Musikalisch bietet Wild Gunman - wie für die frühen arcadelastigen Spiele aus dem Hause Nintendo typisch - lediglich den einen oder anderen kurzen Jingle. Diese ertönen etwa zum Titelbildschirm oder im Falle eines Game Overs und sind im Grunde nicht weiter der Rede wert. Die Stücke unmittelbar vor und nach einem Duell unterstützten jedoch den Spannungsaufbau und vermitteln eine passende Stimmung, insbesondere bei tragischen Niederlagen. Die satten Soundeffekte sind für einen Titel der ersten Stunde ebenfalls zu loben - nicht nur der bereits erwähnte, wenn auch zugegebenermaßen stark komprimierte "Fire!"-Sample, auch die übrigen Geräusche wie etwa der wuchtige Aufprall von umgeschossenen Gegnern fallen positiv auf.


Wertung


5/10

Kommentare



Phil
Genauso wie ein paar weitere Light Gun Spiele habe ich Wild Gunman mangels Originalzubehör und Röhrenfernseher erst über die Virtual Console für die Wii U nachgeholt, auf der man mit der WiiMote dank eines optionalen Fadenkreuzes im einen oder anderen Modus sogar einen gewissen Vorteil gegenüber dem NES Zapper hat. Persönlich gefällt mir das Setting des Spiels besser als die Entenjagd aus Duck Hunt. Spielerisch ist aber sicherlich letzteres interessanter. Gemeinsam haben hingegen beide Titel, dass sie mich nur für extrem kurze Zeit vor den Fernseher locken konnten. Für ausgiebigere Sessions mangelt es einfach an Inhalt und Spieltiefe, sofern man kein High Score Enthusiast ist. Um die eigenen Reflexe zu trainieren ist Wild Gunman hingegen ideal.