Ufouria - The Saga


von Phil
19.11.2011

Was kommt dabei heraus, wenn man Elemente von Metroid, Super Mario Bros. 2 und Kirby’s Adventure mischt? Die Antwort lautet: Ufouria - The Saga! Man nehme das typisch non-lineare, auf Erkundung und Upgrades ausgelegte Gameplay von Metroid, man füge Hüpfpassagen, das Werfen von Objekten sowie die Auswahl von vier Protagonisten á là Mario 2 hinzu und garniere das Ganze mit dem Knuddelcharme eines Kirby. Diese Formel verwendete man im Jahre 1991 im Hause Sunsoft. In Japan unter dem Namen "Hebereke" bekannt, erschien Ufouria in westlichen Gefilden nur in PAL-Regionen und blieb auch dort relativ unbekannt. Die USA gingen also komplett leer aus. Auf Plattformen wie eBay wird der Titel heutzutage entsprechend hoch gehandelt. Zurecht?

Erinnern wir uns zunächst zurück an Metroid: ein Spiel, das Neulingen aber auch Fans späterer Teile durchaus einen harten Einstieg bereitet, bedenkt man doch, dass es beim NES-Ableger noch keine Karte gab und die schier endlos und ähnlich erscheinenden Korridore doch eher zum Verlaufen einluden. Auch die Suche nach Lebensenergie erwies sich als durchaus langwierig, sodass man nach Ableben oder bei Wiedereinstieg per Passwort erst einmal minutenlang endlos spawnende Monsterhorden plattmachen musste, um Energiekapseln einsammeln zu können. All diese Designprobleme wurden in Ufouria behoben, was den Titel im Vergleich zu Metroid natürlich sehr vereinfacht.

Doch zunächst zur Geschichte: Protagonist Bop-Louie, der dank der Anpassung von Hebereke für PAL-Regionen Schneemann statt Pinguin ist (alle vier Helden des Spiel wurden für den westlichen Release aus unerklärlichen Gründen umdesignt), hat bei einem Ausflug zu einem Vulkan sowohl Freunde als auch sein Bewusstsein verloren. Nachdem er wieder zu sich kommt, findet er sich an einem mysteriösen Ort wieder und macht sich auf die Suche nach seinen Kollegen. Zu diesen gehören Freeon-Leon, ein übergewichtiger Dinosaurier, Spades, der vermutlich coolste Geist der Videospielgeschichte, sowie Gil, der sich seinem Design zufolge nicht entscheiden konnte, ob er Frosch oder Fisch sein will. Die Charaktere sind allerdings nicht nur verschollen, sondern auch in der unbekannten Welt gut versteckt und müssen zunächst wieder zu Sinnen gebracht (beziehungsweise geprügelt) werden, bevor sie sich wieder an Bop-Louie erinnern und sich ihm anschließen, um fortan gemeinsam einen Weg zurück in die Heimat "Ufouria" zu finden.

Hierbei steuern sich alle vier Helden, zwischen denen im Pausenmenü relativ schnell gewechselt werden kann, ähnlich und verfügen über die gleichen Grundfertigkeiten. Zwar springen sie unterschiedlich hoch bzw. weit und laufen auch nicht alle gleich schnell, doch sind ihre Angriffsfähigkeiten zunächst diegleichen. Entweder stampft man in gepflegter Mario-Manier auf die Gegner ein, wobei diese entweder Energie oder einen Ball zurücklassen, oder aber man hebt eben diese Bälle auf und schleudert sie den nächsten Widersachern entgegen. Super Mario Bros. 2 lässt grüßen! Nicht unerwähnt bleiben soll auch das Kriechen, das zwar selten gebraucht wird, allerdings mit der wurmähnlichen Animation der Figuren hierbei nicht hätte bescheuerter und lustiger aussehen können. Des Weiteren verfügen die vier Helden über jeweils unterschiedliche Fähigkeiten. Freeon-Leon etwa kann über Eis laufen ohne auszurutschen sowie an Wasseroberflächen treiben. Spades springt besonders weit und Gil kann als Einziger auch unter Wasser umherlaufen. Bop-Louie hingegen lernt im Laufe des Spiels das Klettern an Wänden – eine Fähigkeit, die dem Spider Ball aus Metroid II eventuell Pate gestanden hat. Darüber hinaus kann für jedes Mitglied der quirligen Gruppe noch eine Spezialfähigkeit gefunden werden, sodass Gil später beispielsweise Wände sprengen kann und Freeon-Leon Gegner einfriert, die so kurzzeitig als Plattformen fungieren können (und ganz nebenher für eine der frustrierendsten Stellen im Spiel sorgen). Da die Fähigkeiten der Truppe also im Verlauf des Abenteuers stetig mehr werden, kann in der frei begehbaren und non-linearen Welt immer wieder zu alten Orten zurückgekehrt werden, wo zunächst schier unüberwindbare Hindernisse das Weiterkommen vereitelten, dann aber dank neu erworbener Moves doch überwunden werden können. Das Auffinden von Items, etwa zur Lokalisierung von weiteren Upgrades oder zum Auffüllen der Lebensenergie, erleichtert dabei das Vorankommen im Spiel ebenfalls.

Die Welten, durch die sich das Heldenquartett kämpfen muss, fallen dabei sehr unterschiedlich und abwechslungsreich aus, stellen aber größtenteils die gewohnten Standardsettings von Videospielen dar: Es geht durch eisige Schneehöhlen, über hölzerne Passagen im Baumdickicht bis hin in die Wolken und auch Tempelanlagen und Lavagrotten möchten erkundet werden. Hierbei sind glücklicherweise alle Areale miteinander nahezu nahtlos verbunden. Je nach Landschaft ändern sich übrigens auch die zahlreich vorhandenen Gegnertypen, die sich insbesondere durch ein durchgeknalltes Design auszeichnen. Da wären beispielsweise sich per Zungenschleck vorwärts bewegende Kussmünder (deren Verwendung die Rolling Stones sicherlich per Klage aufgrund Ähnlichkeit zum Bandlogo hätten verbieten lassen können) oder aber auch Flugbärchen, die sich in bester "Karlsson vom Dach"-Manier per Propellerhut auf die Helden herabstürzen. Für genug Abwechslung ist in dieser Kategorie jedenfalls gesorgt! Was die Endgegner angeht, schienen die Entwickler von Sunsoft übrigens ein besonderes Faible für verrückt gewordene Miezekatzen und skurrile Aliensäuglinge zu haben... Ab und an trifft man jedoch auch auf ein paar freundlichere Zeitgenossen in diesem Fantasieland – so bringt man einer Vogelmutter beispielsweise ihre verlorengegangenen Eier zurück ins Nest, woraufhin diese sich erkenntlich zeigt und einem an bestimmtem Stellen als Fortbewegungsmittel der etwas anderen Art zur Verfügung steht.

Verglichen mit Metroid bietet Ufouria abgesehen von der doch recht hohen Anzahl an Bosskämpfen eher weniger Action. Der Schwerpunkt wurde hingegen noch stärker auf die Erkundung der Umgebung gelegt. Um den Spieler in der frei begehbaren Welt aber nicht allzu sehr umherirren zu lassen, werden einem durch das Spiel hinweg durch kurze Textboxen und Dialoge der Charaktere Hinweise darauf gegeben, in welches Areal man sich als nächstes begeben sollte. Eine auffindbare Karte inklusive Markierungen wichtiger Orte erleichtert das Abenteuer ebenso – ein nützliches Feature, das die Metroid-Serie erst im SNES-Ableger "Super Metroid" einführen sollte. Auch wirken die Welten in Ufouria aufgrund ihres einfallsreichen Leveldesigns übersichtlicher und zeugen von mehr Wiedererkennungswert als die doch sehr labyrinthartigen Tunnelsysteme in Nintendos Konkurrenz-Action-Adventure. Des Weiteren fällt der Grafikstil positiv auf, der sich auf absolutem Topniveau für NES-Verhältnisse bewegt – insbesondere sind hier die putzigen Animationen und die detaillierten Sprites des Heldenquartetts sowie der Gegnerscharen zu loben. Ebenso gelungen ist der Sound, der bei Gamemusikliebhabern sogar den einen oder anderen Ohrwurm hervorrufen dürfte und die Erkundung der farbenfrohen Welt stimmig untermalt. Zuletzt verdient auch das Passwortsystem Erwähnung, das mit seinem 36-Felder-Schachbrett und verschiedenfarbigen Pins ein wenig an Mega Man erinnert, erlaubt es einem doch auf unkomplizierte Weise, gemeinsam mit Bop-Louie und Konsorten das umfangreiche Abenteuer in mehreren Anläufen zu meistern.

Doch wo Licht ist, ist meist auch Schatten – kommen wir also zu den negativen Seiten von Ufouria. So sind beispielsweise einige höher gelegene Plattformen nur sehr schwer zu erreichen, was schnell in Frust ausarten kann, wenn man durch einen nicht hundertprozentig richtig abgepassten Sprung den Großteil seiner Energie verliert und sich im schlimmsten Falle erst einmal wieder vom Start des Spiels aus zur jeweiligen Stelle zurückarbeiten muss. Des Weiteren hat Ufouria durchaus einige unnötige Längen, die sich die Entwickler ruhig hätten sparen können. Beispiel gefällig? Gil der Frosch lernt im Verlauf des Spiels, kleine Bomben zu legen. Diese können jedoch nur jeweils einen oder maximal zwei Felsblöcke auf einmal zerstören, um so neue Areale zu erschließen. So weit, so gut. An einer Stelle des Spiels bekommt man allerdings das Gefühl, man müsse sich durch die gesamten Alpen sprengen, so viele Felsblöcke behindern das Weiterkommen. Dass inmitten einer dieser Felswände auch noch ein Lichtschalter versteckt ist, den es zu betätigen gilt, macht diese eintönige Aufgabe nicht unbedingt angenehmer – und auch nicht, dass sich Gil vorm Legen jeder einzelnen Bombe erneut für einige Sekunden aufladen muss. Solche Passagen bilden glücklicherweise jedoch eher die Ausnahme als die Regel. Um den Vergleich mit Metroid noch einmal anzustellen: Die Spielewelt an sich ist in Ufouria zwar durchaus detaillierter und abwechslungsreicher gestaltet als Planet Zebes, sie fällt aber auch insgesamt etwas kleiner aus. Die Orientierung kann man gelegentlich allerdings trotzdem verlieren, insbesondere wenn man von den ab und an verfügbaren Verbindungstoren Gebrauch macht, die quasi als Warpzonen zu weiter entfernten Gebieten dienen. Diese Verbindungstore ersparen einem zwar einiges an Backtracking, das im Genre der Action-Adventures durchaus schon einmal ausarten kann und bei Weitem nicht jedermanns Sache ist. Allerdings ist es bei der Vielzahl an derartigen Warpzonen in Ufouria schon fast ein Kunststück, sich alle möglichen Shortcuts zu merken. So befindet man sich oftmals auf der Suche nach dem richtigen Verbindungstor zum Zielort X und tappt währenddessen in zwei oder drei falsche, was einem die erhoffte Zeitersparnis durch geringeren Weg sofort zu Nichte macht. Papier und Bleistift können hier allerdings sicherlich Abhilfe schaffen. Neben gelegentlichen Slowdowns in der Framerate bei Bosskämpfen, die auf die extrem detaillierten und extragroßen Sprites zurückzuführen sind, muss allerdings noch ein weiterer echter Makel zumindest kurz angesprochen werden: Und zwar eine Eigenheit der Steuerung. Die vier Helden lassen sich zwar äußerst präzise navigieren, warum zum Zerstampfen von Gegnern allerdings bei Landung auf ebendiesen auf dem D-Pad nach unten gedrückt gehalten werden muss, bleibt vermutlich Geheimnis der Entwickler. Hierfür gibt es wirklich keinen plausiblen Grund und es fühlt sich einfach ungewohnt, überflüssig und fehl am Platz an.

Hiermit soll es nun aber auch genug der Kritik gewesen sein – denn der Eindruck, dass sich hinter Ufouria ein von Mängeln nur so strotzender Titel verbirgt, sollte an dieser Stelle auf keinen Fall entstehen! Ganz im Gegenteil: Das Spiel hat aus heutiger Sicht zwar einige Designfehler, es war seinem direkten Konkurrenten Metroid aus dem Hause Nintendo aber in vielen Belangen weit voraus. Verglichen mit diesem stellt es für Liebhaber des Genres, die mit Samus Arans Abenteuer auf dem NES aufgrund der vermeintlichen Eintönigkeit einfach nicht warm werden wollen, sogar die bessere Alternative dar. Von daher: Unbedingt zugreifen, wenn ihr das Modul in die Hände bekommen solltet! So einfach ist es aufgrund seiner geringen Produktionsstückzahl nämlich leider überhaupt nicht mehr zu finden.


Wertung


8/10

Kommentare



Phil
Erstmals in Kontakt gekommen mit Ufouria bin ich erst, nachdem der Titel glücklicherweise auf der Wii Virtual Console veröffentlicht wurde. Da ich selbst ein großer Fan der Metroid-Serie und von allem, was dessen Gameplay nahe kommt, bin, war nach Lesen einiger Infos für mich klar, dass es sich bei Ufouria um einen absoluten Pflichtdownload für mich handelte! Enttäuscht wurde ich keineswegs - betrachte ich Ufouria und Metroid aus heutiger Sicht, muss ich trotz aller Liebe zu Letzterem sogar zugeben, dass Ufouria um einiges besser gealtert ist. Sehr schade also, dass der Titel relativ unbekannt geblieben ist. Meiner Meinung nach handelt es sich hier um eine echte Perle für das NES!