Super Monkey Daibouken
von Yamato
31.07.2015
Spätestens sobald man als Fans der gepflegten NES-Unterhaltung die wichtigsten Titel in seiner Sammlung vereint hat und sich auch in der übrigen NES-Software-Bibliothek gut zurecht findet, dürstet es häufig nach "mehr". So wagen viele 8-Bit-Fans dann gerne mal einen ausgedehnten Blick über den Tellerrand ins Land der aufgehenden Sonne: Welche hochkarätigen Spiele gab es nur für das japanische Famicom und blieben westlichen Spielern verwehrt? Shoot 'em Ups wie Crisis Force? Check! Sportspiele wie Nintendo World Cup 2 (alias Kunio-Kun No Nekketsu Soccer League)? Check! Action-Plattformer wie Mitsume Ga Tooru? Check! Knuffige Japano-Spinoffs wie Kid Dracula? Check! Um nur einige Beispiele zu nennen.
Manchmal stößt man aber auch auf obskure Titel, die so durchschnittlich oder gar schlecht sind, dass man einen Import tunlichst meiden sollte. Zu letzterer Gattung gehört auch das vorliegende Action-RPG Ganso Saiyuuki - Super Monkey Daibouken ("Journey to the West: Super Monkey Adventures"). Was aber macht ausgerechnet diesen Titel dann noch wert für einen NES Center Gamecheck?
Interessant ist der Titel zu einen, weil er auf der chinesischen Sage "Die Reise nach Westen" basiert, welche von den Abenteuern des Affenkönigs Sun Wukong (alias Son Goku) auf seinem Weg zur Stadt Tianzhu im heutigen Indien erzählt. Auch viele andere Spiele, Filme, Bücher und Mangas wurden hierdurch inspiriert, wie etwa die bekannte "Dragonball"-Serie oder jüngere Videospiele wie das von Ninja Theory entwickelte "Enslaved: Odyssey to the West" (PS3, Xbox 360). Zum anderen tauchte das Spiel in Staffel 3 der japanischen Comedy-Sendung "GameCenter CX" auf, in der Chief Arino vor die schier unlösbare Aufgabe gestellt wurde, dieses "Ultimate Crap Game" durchzuspielen.
Ihr startet eure Reise nach Tianzhu gemeinsam mit dem Mönch Xuanzang auf einer einsamen Insel, um euch herum ist nichts als der blaue Ozean. Ihr findet keine Dörfer, keine Dungeons, keine Gegner - und während ihr so im Schneckentempo die Insel absucht (die Figur bewegt sich unerträglich langsam), wird euch schnell klar, dass ihr keinen blassen Schimmer habt, wie und wo es weitergehen soll. Selbst die japanische Anleitung lieferte den Spielern keinerlei Hinweise, was auch im oben erwähnten GameCenter CX kritisiert wurde. Irgendwann lauft ihr in der Mitte der Insel vielleicht in eine der Sackgassen zwischen den Bäumen - und plötzlich taucht ihr irgendwo anders auf der Welt wieder auf - ihr habt euren ersten der vielen im Spiel versteckten Warps gefunden!
Nach dem Warp befindet ihr euch auf einer größeren Landmasse und die langatmige Suche nach dem nächsten Ziel geht weiter. Hinzu kommen nun auch gelegentliche Kämpfe, bei denen der Bildschirm wie in Zelda II in eine Seitenansicht wechselt. Allerdings laufen euch die Gegner auf der Oberwelt - anders als im besagten Zelda-Abenteuer - nicht sichtbar über den Weg. Mit der Zeit wird euch auch klar, dass es sich dabei ebenso wenig um echte Zufallskämpfe wie z.B. im RPG Final Fantasy handelt. Stattdessen verhält es sich wie mit dem versteckten Warp: Die Felder, auf denen euch Kämpfe erwarten, sind von vorne herein vom Spiel festgelegt, aber unsichtbar. Billiger geht's nicht.
Im Kampfbildschirm angekommen schlägt Sun Wukong durch Druck auf die B-Taste mit seinem Stab. A lässt ihn springen und ein erneutes Drücken von A in der Luft lässt ihn auf der von "Dragonball" bekannten Wolke Jindujun fliegen. Per Druck auf die Start-Taste verwandelt ihr euch kurzzeitig in einen Drachen und könnt Feuerbälle schießen. Völlig planlos laufen im Kampfbildschirm die Gegner von links nach rechts umher, verlassen dabei öfters links oder rechts den Bildschirm und tauchen auf der anderen Seite wieder auf. Während ihr mit B auf die Gegner eindrescht, seid ihr bei Gegner-Berührungen von vorne unverwundbar. Auf diese Weise arten die Kämpfe in einer äußerst stumpfsinnigen Klopperei aus, die obendrein noch eine fürchterliche Trefferabfrage aufweist. Hinzu kommt, dass die Kämpfe immer wieder ohne ersichtlichen Grund enden, ohne dass alle Gegner besiegt wurden. Oft verwandelt sich auch ein Gegner in einen Drachen und der Kampf endet wieder plötzlich - Man versteht häufig überhaupt nicht, was im Spiel eigentlich vor sich geht und genauso erging es auch dem armen Arino in GameCenter CX. Erfahrungspunkte oder Gegenstände bekommt ihr für gewonnene Kämpfe übrigens nicht, sodass diese völlig bedeutungslos sind und nach kurzer Spielzeit bereits nerven.
So irrt ihr also eine gefühlte Ewigkeit auf der Oberwelt herum - immer in der Hoffnung, irgendetwas zu finden. Wer nicht aufgibt (oder einschläft), gelangt schließlich zu einem der im Spiel verteilten Häuser oder zu weiteren Warps, die euch im Spiel voranbringen. Die Hausbewohner versorgen euch mit neuem Reiseproviant, der euch vor dem Game Over bewahrt, da sich die Vorräte während des Spielens ganz langsam verringern und nicht leer werden dürfen. Achtet auf die Anzeigen unten rechts. An bestimmten Stellen des Spiels habt ihr zudem die Chance, zwei weitere Wegbegleiter für euch zu gewinnen. Dazu müsst ihr mit ihnen gemeinsam einen weiteren der oben beschriebenen Kämpfe absolvieren. Anschließend gesellt sich der neue Charakter zu eurer Partie dazu und unterstützt euch fortan bei Gegnerkonfrontationen, indem er im Kampf-Bildschirm herumläuft und gelegentlich mal einen Treffer landet.
Die auf der Oberwelt verteilten Warps sind mal unsichtbar wie zu Beginn der Reise oder erkennbar anhand eines Treppen-Symbols. Wie euch die Warps im Spiel voranbringen, ist von Anfang an nur schwer durchschaubar, da die Welt riesig ist und die Landschaften allesamt einfach zu ähnlich aussehen. Wer weiterkommen will, braucht deshalb enorm viel Geduld und muss sich die Struktur der Welt mühsam erarbeiten. Erschwerend kommt hinzu, dass es zuweilen keine Möglichkeit gibt, wieder zurück zu teleportieren. Zu allem Übel ist das durch den Warp erreichte Gebiet oft nicht das richtige - genauso gut kann es sich dabei um eine Sackgasse handeln, aus der ihr dann irgendwie wieder herausfinden müsst.
Bei eurer Odyssee durch das alte China verändert sich übrigens alle paar Minuten die Bildschirmfarbe. Der Entwickler VAP programmierte für Super Monkey Daibouken tatsächlich einen Tag-Nacht-Wechsel, wobei euch die Fortschrittsleiste unten links die jeweilige Tageszeit anzeigt. Für ein Spiel von 1986 ist dies schon recht erstaunlich. Die Tageszeit erfährt allerdings nur an sehr wenigen Stellen des Spiels eine spielerische Bedeutung. So kommt ihr beispielsweise etwa in der Mitte des Spiels nur bei Nacht durch ein verschlossenes Tor hindurch.
Wer sich lange genug durchs Spiel hindurchquält, bekommt übrigens auch eine Handvoll Endgegner zu Gesicht. Diese sind zwar bildschirmfüllend groß, allerdings dürftig animiert (laufen nur etwas hin und her) und spielerisch langweilig - wie in den normalen Kämpfen auch gilt es hier einfach nur draufzuhauen. Aus irgendeinem Grund helfen euch bei Endgegnerkämpfen übrigens drei weitere Sun Wokungs, anstelle eurer eigentlichen Partiemitglieder, sodass ihr erstmal schauen müsst, welchen davon ihr steuert. Wieder so ein unlösbares Rätsels dieses Spiels.
Die große und leere Welt mit ihren zusammengewürfelten Landschaften und undurchschaubaren Warps führt bereits nach wenigen Spielminuten zu einer Orientierungslosigkeit sondergleichen. Hinzu kommt die sehr träge Steuerung der Spielfigur, welche sich nur extrem langsam über die Oberwelt schleicht, was zusätzlich noch für Langeweile sorgt. Ständig fragt ihr euch, wo es als nächstes weitergeht und müsst dazu prinzipiell jede verdächtig anmutende Ecke der Oberwelt in Zeitlupe abgrasen, da der nächste Warp vielleicht unsichtbar sein könnte. Die belanglosen und störenden Kämpfe machen die Gameplay-Katastrophe schließlich komplett. Wer sich auf das Spiel einlassen will, wird am Anfang vielleicht noch das Gefühl haben, das Spiel irgendwie knacken zu können; zudem wirken Dinge wie die große Welt und der Tag-Nacht-Wechsel zumindest recht ambitioniert. Relativ schnell wird jedoch klar, dass man hier selbst mit einer Komplettlösung einfach nur ein grausames Spiel erlebt, das euch mit einem äußerst unbefriedigenden Gefühl zurücklässt.
Nicht unerwähnt bleiben sollen übrigens die - man mag es bei einem modulbasierten Spiel ja kaum glauben - kurze Ladezeiten von ca. 2-3 Sekunden zwischen den Kämpfen und Warps. Wer dieses Stück Software tatsächlich spielen will, wird außerdem ein einzigartiges Passwortsystem erleben: An bestimmten Spielpunkten wird eine Tastenkombination wie z.B. "AB A A" eingeblendet, die ihr dann im Titelbild wie einen Cheat eingeben könnt, um beim nächsten Mal dann an dieser Stelle weiterzumachen. Wer frühe NES-RPGs wie Final Fantasy oder Dragon Warrior (Name von Dragon Quest in den USA) für überschätzt hält, wird mit Super Monkey Daibouken eines Besseren belehrt!
Wertung
2/10
Kommentare
Yamato
Vor einigen Tagen schickte mir Technik-Spezialist "Moosmann" mein heiß erwartetes RGB-modifiziertes Famicom zurück. Mit im Paket befand sich auch ein auf den ersten Blick unscheinbares, hellgrünes Famicom-Modul mit einer handschriftlichen Notiz dabei: "Bitte für das NES Center einen Test schreiben. Viel Spaß mit dem Spiel" - Danke, lieber Markus! Durch diese nette Zugabe wird mir Super Monkey Daibouken nun auf ewig als jenes Spiel in Erinnerung bleiben, welches ich als erstes auf meinem frisch umgebauten Famicom in perfekter RGB-Qualität genießen durfte! Eine wahres Software-Juwel, welches ohne Zweifel in keiner gut sortierten Videospiel-Sammlung fehlen darf und einen Famicom RGB-Umbau überhaupt erst rechtfertigt!!! Ok, ich höre ja schon auf...