Stanley: The Search for Dr. Livingston
von Seppatoni
31.08.2020
Wir schreiben den 11. Mai 1870. Eine Zeit, in welcher zahlreiche Nationen Europas ihre erlesensten Entdecker auf den damals noch weitgehend unbekannten Kontinent Afrika entsandten, um neue Länder, unbekannte Tiere und unerforschte Zivilisationen zu entdecken, die nie ein Europäer zuvor gesehen hat. Die Absicht dahinter: Der Besitztum des neu entdeckten Gebiets soll natürlich für das Mutterland beansprucht werden. Unter ihnen auch der angesehene Forscher Dr. Livingston (angelehnt an den Missionar und Afrikaforscher Dr. David Livingstone, 1813 - 1873). In der Rolle des unermüdlichen britischen Reporters Henry M. Stanley (1841 – 1904) reist ihr ebenfalls Afrika, genauer gesagt in den Kongo, um die Arbeit von Dr. Livingston für eure Zeitung zu dokumentieren. Dort angekommen stellt ihr fest, dass Dr. Livingston bereits ohne euch aufgebrochen war, um der ungeliebten Presse aus dem Weg zu gehen. Viel mehr noch: Er hat seine ursprünglichen Pläne verworfen und will den verlorenen Tempel des Amut-Volkes finden. Stanley entschließt sich, den Spuren des Forschers zu folgen und ihn im tiefsten Dschungel Afrikas aufzuspüren.
Nach dieser etwas eigenwilligen Interpretation der Geschichte um Livingston(e) und Stanley findet ihr euch in der Hafenstadt Harken wieder, von wo aus euer Abenteuer startet. In Gesprächen mit den Einwohnern und der Schiffscrew sammelt ihr erste Informationen und erfahrt, dass verschiedene Ausrüstungsgegenstände entwendet wurden, welche für euer Abenteuer bitter nötig sind. Somit habt ihr auch schon die ersten Ziele vor euch. Nach dem Verlassen der Stadt findet ihr euch auf einer Karte wieder, auf welcher ihr euren nächsten Schritt angehen könnt. Wahlweise könnt ihr in die 4 Himmelsrichtungen ziehen und landet daraufhin in einem neuen Abschnitt, der bewältig werden muss. Absolviert ihr ihn erfolgreich, wird er auf der Karte gekennzeichnet und kann auf dieser fortan passiert werden. Doch Vorsicht: Erscheint auf der Karte ein Fluss oder eine Wand, dann werdet ihr auch in den entsprechenden Levels von selbigem Hindernis aufgehalten.
In den Abschnitten sind nicht nur eure Hüpf- und Kletterkünste gefragt, es warten auch zahlreiche miesgelaunte Eingeborene und unliebsame Wesen aus dem Tierreich auf euch. Mit euren Fäusten könnt ihr euch zur Wehr setzen, im weiteren Verlauf des Spiels erhaltet ihr dann weiteren Zugang zu einem üppigen Waffenarsenal. Neben begrenzten Wurfwaffen wie Steinen, Messern oder Speeren, helfen euch die Machete oder Keule im Nahkampf. Erstere werden euch gelegentlich von besiegten Gegnern hinterlassen, die permanenten Waffen sind jedoch gut im Dschungel verborgen.
Überhaupt steht die Erforschung des Urwaldes an erster Stelle. Ihr findet nicht nur bitter benötigte Ausrüstungsgegenstände, sondern auch Power-Ups, die eure Angriffe oder Abwehr permanent erhöhen. Auch Schlüssel wollen gefunden werden und öffnen euch den Weg in einen der zahlreichen verborgenen Tempel, die nicht selten wertvolle Schätze, hilfreiche Items oder wichtige Hinweise verbergen. Zwischendurch entdeckt ihr wieder verborgene Dörfer, deren Eingeborene euch für eine kleine Hilfeleistung auf eurem Weg unterstützen oder euch beispielsweise hilfreiche Gegenstände für einen Kampf gegen einen größeren Zwischengegner überlassen.
Ein ganz spezieller Ausrüstungsgegenstand von Stanley ist ein kleiner Propeller, der in seinem Rucksack untergebracht ist. Dieser lässt ihn bei Sprüngen etwas länger in der Luft schweben und sanft auf dem Boden landen - aufgrund der Tatsache, dass Stanley ab einer gewissen Fallhöhe durch Stürze Schaden nimmt, ein äußerst nützlicher und daher auch sehr oft verwendeter Helfer. Somit lassen sich auch schmale, von Krokodilen verseuchte Flüsse überwinden oder weit entferne Plattformen erreichen. An gewissen Stellen kann mit dem Mini-Helikopter sogar nach oben geflogen werden. Denn oftmals gibt es in der unwirtlichen Gegend Erdlöcher, die euch in die Tiefe führen, wo ab und zu auch mal ein nützliches Item auf euch wartet.
Über 230 Abschnitte gibt es insgesamt zu entdecken. Leider fällt auf, dass mache Passagen einfach mehrfach kopiert wurden und sich im besten Fall durch geänderte Items, Farben und Gegner unterscheiden. Ob dies der Lust der Programmierer oder einfach der beschränkten Speicherkapazität des Moduls entsprang, sei mal dahingestellt. Da die Abschnitte aber meist sowieso recht kurz ausfallen und dennoch genügend Varianten zur Verfügung stehen, ist dies problemlos zu verschmerzen.
Schmerzhafter fällt da leider die Steuerung aus. Die offenbart sich leider als äußerst hakelig, was vor allem das Sprungverhalten angeht. Dies ist aber vorwiegend der ungenauen Kollisionsabfrage geschuldet. Genaue Sprünge auf Plattformen gestalten sich als mühsam, da Stanley oftmals gleich wieder abrutscht und im schlimmsten Fall in den Tod stürzt. Auch bei den Angriffen gestaltet sich die Kollisionsabfrage als mühsam. Zwar trefft ihr oftmals Gegner bereits ungewollt aus größerer Distanz als das Bild vorgibt, dafür sind teils nahe gelegene (vor allem fliegende und kriechende) Gegner kaum zu treffen und verhaken sich in euch.
Als ebenfalls suboptimal gestaltet sich das Vertikalscrolling, das nicht flüssig ist, sondern immer Bildschirm für Bildschirm nach oben oder unten poppt. Oftmals erkennt ihr gar nicht, ob ihr nun ein Loch hinabsteigen könnt bzw. müsst oder euch dadurch direkt den Tod holt. Davon abgesehen ist die Grafik solide. Hintergründe sind gut gelungen und die Sprites erfüllen ihren Zweck. Bei viel Action auf dem Bildschirm können sich wie so oft Slowdowns und Geflacker bemerkbar machen.
Musikalisch hätte man sich in Sachen Vielfalt etwas mehr Mühe geben können, die vorhandenen Stücke sind aber durchaus hörbar und passen auch zur jeweiligen Situation. Die Soundeffekte hätten etwas zahlreicher sein können.
Nicht meckern kann man bezüglich des Umfangs: Wer wirklich alle Gegenden erkunden will, ist einige Stunden beschäftigt. Verliert Stanley alle Leben, ist dies auch kein Beinbruch, man kann das Spiel an der gleichen Stelle dank unendlicher Continues einfach fortsetzen. Alternativ gibt es auch ein Passwortsystem, das im Spiel jederzeit mit der Select-Taste aufgerufen werden kann. Ihr erhaltet sowohl euer aktuelles Passwort als auch die Möglichkeit eines einzugeben. Allerdings geht ein Teil des Fortschritts dabei verloren, da die Landkarte spielintern auf 6 Länder aufgeteilt wurde und euch das Spiel nach Passworteingabe immer an den Anfang eines Landes zurückschickt.
Mit Stanley: The Search for Dr. Livingston wird dem Spieler ein im Grunde tolles Adventure mit frischen Ideen und gelungenem Levelsetting angeboten. Leider macht an vielen Stellen der fehlende Feinschliff einen Strich durch die Rechnung. Die mangelhafte Kollisionsabfrage und das unvorhersehbare Vertikalscrolling sorgen für unnötigen Frust und unfaire Spielszenen. Hartgesottene Abenteurer, die darüber hinwegsehen können, dürfen sich dennoch auf einige spannende Abenteuer beim Erforschen des Kongos freuen.
Wertung
6/10
Kommentare
Seppatoni
Schon seit längerem hatte ich das recht unbekannte Spiel auf dem Radar, zu mehr als ein bisschen Anspielen hat es aber nie gereicht. Nun habe ich mir den Titel mal wirklich zur Brust genommen und auch durchgespielt. Die Spielidee an sich und die Adventure-Elemente selber wissen zu überzeugen, leider sorgen die technischen Unzulänglichkeiten aber für unnötigen Frust und Einbußen beim Spielspaß. Schade, mit etwas mehr Mühe wären wohl auch weniger frustresistente Zocker zu einem schönen Abenteuer gekommen.