Darkwing Duck


von Chancell
03.02.2019

„Zwo, eins, Risiko!... Darkwing Duck!", heizte einst der Schlagerbarde Jürgen Drews im schrillen Intro der deutschsprachigen Synchronfassung der Disney-Zeichentrickserie „Darkwing Duck - Der Schrecken der Bösewichte" die Vorfreude des vornehmlich jüngeren Publikums auf die bevorstehenden Heldentaten des maskierten Enterichs an. NES-Nutzer der ersten Stunde werden sich sicherlich noch an die ARD-Sendung „Disney Club" erinnern. Diese lief in den frühen 90ern im Samstagsnachmittagsprogramm bzw. wurde am Folgetag im Frühstücksfernsehen wiederholt und präsentierte die US-Lizenzvorlage zum vorliegenden Capcom-Modul erstmals einem größeren deutschsprachigen Publikum. Wer die bisherigen Cartoons aus der Produktion der Disney-Television-Studios im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Disney-Clubs kannte, durfte als unbedarfter Grundschüler wohlmöglich schlucken: Während es bei Duck Tales, Chip & Chap und der Gummibärenbande eher charmant bis gutherzig zuging, präsentierten die Amerikaner mit dem als eine Art „Duck Tales“-Spin-Off angelegten Disney-Cartoon einen gänzlich zwielichtigen Schlawiner als Hauptdarsteller: Einen von sich selber eingenommenen Gernegroß namens „Darkwing Duck“, der in seinem an Zorro erinnernden Kostümchen den Bösewichtern in St. Erpelsburg - einer Art dunklen Paralleldimension von Entenhausen - das Fürchten lehrt. Abgesehen von Quack dem Bruchpiloten, der bereits aus Duck Tales sowohl Disney- als auch NES-Freunden geläufig sein dürfte, wurden sämtliche Einwohner von St. Erpelsburg gänzlich mit neuen Gesichtern besetzt. Im Wahren Leben ein braver Biedermann namens Eddie Erpel (bzw. Drake Mallard im englischen Original), bekämpft er nachts in den Häuserschluchten der Metropole Hobbygangster wie Megavolt, Professor Buxbaum oder den Topagenten des F.O.W.L.-Verbrechersyndikats namens Eisenbeiß. F.O.W.L. steht dabei übrigens für die „Fiese Organisation für weltweite Lumpereien“...

Diesem Gamecheck zugrunde liegt die ursprüngliche US-NTSC-Variante, die im Sommer 1992 auf dem nordamerikanischen Markt veröffentlicht wurde. Europäer mussten noch eineinhalb Jahre bis zum Weihnachtsgeschäft 1993 warten, bis das Modul in die hiesigen Warenhäuser wanderte - in der BRD sogar mit komplett deutschten Texten. Spielerisch ist Darkwing Duck diesseits und jenseits des Atlantiks bis auf die üblichen PAL/NTSC-Nuancen ein inhaltlich identisches Produkt geblieben. Vom japanischen Qualitätssoftwarehaus Capcom nicht anders zu erwarten, kann die ROM-Cartridge mit hervorragend gezeichneten Comic-Sprites, fantasievollen Hintergrundgrafiken und einem jazzigen Soundtrack aus den Händen Yasuaki Fujitas beeindrucken. Fujita hatte akustisch seine Hände auch bei der Umsetzung von Disneys „The Little Mermaid“ auf Nintendos 8-Bit-System im Spiel, ebenso zeichnete er sich zu einem Großteil für die Melodien in „Mega Man 3“ verantwortlich. Letzteres stellt nicht die einzige Parallele zum blauen Bomber dar: Fans unkten einst, Darkwing Duck auf dem NES sei die Disney-Light-Variante eines „Mega Man“-Spiels.

Sicherlich sind gewisse Gameplay-Mechaniken in den ebenfalls von Capcom produzierten „Mega Man“-Spielen ähnlich, bei Darkwing Duck sind sie aber gewollt: Ihr ballert euch mit eurer Gaspistole durch eine gute Handvoll knackiger Levels, lernt Gegnertypen auswendig, springt von Haken zu Plattform und umgekehrt. Die Endbosse wollen ebenfalls analysiert werden, mehrere Male werdet ihr den digitalen Tod erleiden, bis ihr Eisenbeiß in seinem Luftschiff schließlich die Lebensgeister aus dem Federkleid schießt. Vorher durchwandert ihr düstere Kanalisationen, kämpft euch durch die Häuserschluchten St. Erpelsburgs oder duelliert euch mit den Schergen eines der fürchterlichen Fünf im örtlichen Stadtwald. Bewaffnet mit der Handfeuerwaffe, welche über unendlich Schüsse in der Standardvariante verfügt, lassen sich die meisten Gegner problemlos entsprechend dem zu lernenden Angriffsschema neutralisieren. Darkwing kann zudem sein lila Umhang über einen Druck auf „Steuerkreuz oben“ als Schutz nutzen und so einen Großteil der gegnerischen Projektilwaffen abwehren. Rüstet ihr eure Handfeuerwaffe hingegen mit nützlichen Sekundärfunktionen wie dem Energiepfeil, den Energieblitzen oder der Wurfmine aus, lassen sich durch diese einige Levelpassagen schneller durchqueren. Speziell während der relativ anspruchsvollen Endbosse sind schlagkräftige Argumente ein gern gesehenes Beiwerk. Mit der Sekundärfeuerfunktion - über Select einwählbar - solltet ihr allerdings haushalten wie auch in den „Mega Man“-Spielen. Verteilt ist die Zusatzmunition relativ balanciert in den Levels, ebenso wie Lebensenergie in Form von Herzen sowie Darkwing-Duck-Merchandisingpuppen, welche ein Extraleben bescheren.

Wer Titel wie „Duck Tales“ und „Chip ’n Dale“ gespielt hat, erwartet von vorliegendem Actionhüpfer möglicherweise einen ähnlichen Schwierigkeitsgrad: Pustekuchen! Darkwing Duck ist der Mega Man unter den Disney-Versoftungen. Sicherlich ist Mega Man noch eine Stufe knackiger als der Heldenerpel, vieles - ob nun die Bildschirmblende bei vertikalem Scrolling oder die Angriffsmuster der Antagonisten - erinnert jedoch stark an das offensichtliche hauseigene Vorbild. Man darf dem Titel auch keinen Vorwurf machen: Duck Tales & Co. sind deutlich kindgerechter zugeschnitten. Bei Darkwing Duck - schon die Wahl der Farben mag dies deutlich werden lassen - steht eine ältere Zielgruppe im Vordergrund. Wem die Doppelbödigkeit der Superheldenparodie-TV-Vorlage liegt, dem sei uneingeschränkt zur NES-Umsetzung geraten. 8-Bit-typisch ist allerdings Geduld und gutes Training vonnöten, um die letzte Schlacht im Thronsaal des Luftschiffes über der dunklen Metropole zu meistern. Der Abspann belohnt mit einem netten Gag und ließ seinerzeit Hoffnungen auf eine eventuelle Fortsetzung aufkeimen. Narrativ arbeitet Capcom mit einigen Tricks um eine Art Introsequenz sowie Animationen zwischen den Levels zu erzeugen, großflächige und bewegte Grafiken fangen samt der Titelmelodie gekonnt das Flair der Fernsehvorlage ein.

Action-Einsteigern sei an dieser Stelle der Hinweis gegeben, dass Darkwing Duck zwar keine Passwortfunktion, jedoch unendlich Continues bietet und ihr somit immer wieder am Anfang des Levels starten könnt. Lediglich die Rücksetzpunkte verfallen beim Bildschirm-Game Over. An dieser Stelle hätte eine Passwortfunktion möglicherweise das Spielerlebnis aufgewertet. Denn trotz hohem technischen Standard artet mancher Gegner in Abarbeiten aus, zudem hätte eine Varianz der Aufgaben innerhalb der Levels, z.B. Schlüsselkarten oder Geiselbefreiungen sowie eventuell eine Motorradmission oder eine Flugsequenz an Bord von Darkwing Ducks Luftschiff das Spiel in den NES-Olymp gehoben. So bleibt es bei einem empfehlenswerten Titel im oberen Mittelfeld.


Wertung


7/10

Kommentare



Chancell
Als ehemaliger Zuschauer der bewusst trashig-selbstironischen TV-Serie war es natürlich nur eine Frage der Zeit, selber über das NES-Spiel in St. Erpelsburg mitzumischen: Wer Duck Tales kennt, weiß, dass auf Capcom bei Disney-Lizenzen Verlass ist. Herausgekommen ist ein solides Qualitätsprodukt, welches sich aber wenig von anderen Spielen durch spezielle Alleinstellungsmerkmale abhebt. Man spielt sich durch, genießt die tolle audiovisuelle Technik, ärgert sich aber auch andererseits, dass mit ein wenig mehr Feinschliff im Bereich Gamedesign, größerem Umfang und einer Passwort- bzw. Speicherfunktion aus einem guten NES-Spiel ein wirklicher Superhit hätte werden können. Dennoch: „Schurken, Gauner, die sind dran... dieser Duck räumt auf... Darkwing Duck...so ein Vogel kommt sofort geflogen!"