Interview mit Jordan Ordorica
Anlässlich der digitalen Wiederveröffentlichung von „Battle Kid - Fortress of Peril“, dem ersten professionell produzierten NES-Spiel seit dem Ende der offiziellen Lebenszeit des Systems - auf dem Niveau damaliger kommerzieller Enwicklungen -, ließ es sich das Team von NES Center nicht nehmen, dem Urheber Jordan Ordorica einige Fragen zu stellen.
NES CENTER:
Grüß dich Jordan! Schön, dass du für unsere Leser ein wenig Zeit gefunden hast. Du stammst aus den USA, lebst aktuell aber in Japan - beides Länder, in denen das NES damals die entscheidende Spieleplattform war. Warum lebst du heute in Japan?
Jordan Ordorica:
Hallo, danke für die Kontaktaufnahme! Ja, in Japan lebe ich bereits seit 2012, es war nie dauerhaft geplant und es hat sich mehr oder weniger so ergeben. Ich begann hier zunächst als Student einer Japanischschule, gefolgt von einer Tätigkeit als Englischlehrer, wiederum gefolgt von dem Geschäftsfeld, das mich aktuell umtreibt: Web Development.
NES CENTER:
In den späten 80ern waren die Begriffe Videospiele und Nintendo in den USA quasi synonym. Kannst du dich noch an den NES-Hype damals dort erinnern?
Jordan Ordorica:
NES CENTER:Ich kann mich sogar noch sehr gut erinnern: Es war im Hause meines Vaters, das NES war an einem kleinen Fernseher angeschlossen und meine Brüder spielten „Super Mario Bros.“. Genau genommen spielten sie Welt 2-2 und schossen mit Feuerbällen und einer meiner Brüder meinte, dass es komisch sei, dass jemand mit Feuerbällen unter Wasser schießen kann... Ich glaube, mein erstes eigenes NES bekam ich mit 6 oder 7, meine ersten Spiele waren wie so wahrscheinlich bei den meisten in dieser Zeit das 2-in1-Modul „Super Mario Bros./Duck Hunt“ und Donkey Kong Classics.
Lass uns noch mal bei Japan bleiben: Denkst du, das NES oder Famicom ist nach wie vor ein wichtiger Teil der aktuellen japanischen Kultur oder ist es mittlerweile eher ein ausschließlich nostalgisches Nischen-Thema für die Otakus in Akihabara geworden? Dein „Battle Kid“-Spiel wurde auch in einer dezidierten und übersetzten Fassung für das Famicom veröffentlicht, hast du schon Rückmeldungen aus Japan erhalten?
Jordan Ordorica:
Ich selber lebe im Zentrum von Japan, Akihabara ist ja in Tokyo. Sicherlich stellt das Viertel eine Anlaufstelle für Retrofans dar, es gibt aber noch viele andere über ganz Japan verteilt. Da diese Geschäfte die alten Spiele immer noch anbieten, gehe ich davon aus, dass es definitiv noch viele Fans der Famicom--Klassiker gibt. Bis jetzt habe ich noch keine Rückmeldung von japanischen Fans zu meinem Spiel erhalten.
NES CENTER:
Bitte erzähle uns ein bisschen, was es konkret bedeutet, so lange nach der offiziellen Lebenszeit einer Konsole wieder in die 6502-Assemblerprogrammierung einzusteigen und sich mit „überholter“ Technologie zu beschäftigen...
Jordan Ordorica:
Mhm, im Jahre 2001 fing ich erstmals an, mit NES-ROM-Hacks herumzuspielen... Mein Mega Man 2-Hack hieß „The Adventures of Bass“, ein Adventure of Lolo 1 und 2-Hack namens „Challenging Lolo 1 and 2“ folgte.Hier konnte ich bereits erste Erfahrungen sammeln, wie Grafik auf dem NES funktionierte, zudem spielte ich mit dem Hex Editor herum und hatte so Einblicke in die tiefere Mechanik. Mein erstes ernsthafteres NES-Projekt begann im Jahr 2007, glücklicherweise befand ich mich damals zeitgleich wieder an einer Schule, die x86-Assembler lehrte... Noch nicht ganz die alte NES-6502-Assemblerschule, aber die allgemeine Struktur ist doch übertragbar. Von da an durchforstete ich die vorhandenen Dokumentationen im Internet, trieb mich in Homebrew-Chatgruppen rum und schnappte so auf, was ich konnte.
NES CENTER:
„Battle Kid“ ist ganz klar von Mega Man beeinflusst; wir finden, es hat auch Elemente aus Castlevania übernommen. Würdest du noch mehr Inspirationsquellen benennen können?
Jordan Ordorica:
Zu einem gewissen Grad Metroid. Ich denke, es gibt bestimmt noch viele (unbewusste) Einflüsse, aber die oben genannten sind sicherlich die wichtigsten Titel.
NES CENTER:
Die berühmte Inselfrage: Flugzeugabsturz überlebt und gestrandet auf einer einsamen Insel, nichts dabei außer einem Röhrenfernseher, einem NES, einem Stromgenerator und fünf NES-Spielen... Welche wären das ?
Jordan Ordorica:
Gimmick, Mega Man 2, River City Ransom, Super Mario Bros. 3 und mein eigenes Spiel Battle Kid.
NES CENTER:
Die digitale Wiederveröffentlichung im Microsoft Xbox Store von „Batte Kid“ umfasst das Spiel versehen um diverse Updates wie eine neue ausladende Introsequenz und diverser kleiner Verbesserungen. Da die ursprüngliche Charge an Cartridges bereits ausverkauft ist (über RetroUSB erhältlich gewesen) und aktuell nur auf Japanisch für das Famicom phyisch erhältlich ist: Plant Ihr nochmals eine neue westliche Cartridge-Veröffentlichung der "Deluxe"-Variante?
Jordan Ordorica:
Aktuell kümmern wir uns noch um die digitalen Veröffentlichungen auf allen aktuell gängigen Heimkonsolen, danach kümmern wir uns um eine neue physische Produktionsserie...
NES CENTER:
Der Soundtrack von „Battle Kid“ fängt ganz formidabel den Geist von Mega Man 2 sowie allgemein der späten 80er auf dem NES ein. Bitte erzähl uns ein wenig darüber, was es heißt, Musik für das NES zu schreiben...
Jordan Ordorica:
NES CENTER:Die Songs sind alle mit einem Programm namens Famitracker komponiert, ein spezielles Tool zu Erstellung von NES-Musik, leider nicht dezidiert für In-Game-Use gedacht, daher war noch etwas Portierungsarbeit notwendig. Ich habe bereits vorher einige MIDIs erstellt und sie bei vgmusic.com reingestellt, Coversongs zu bekannten Musiktiteln aus Spielen. Dieses Nachspielen der großen Vorbilder half mir, ein Gefühl für das Konzept zu entwickeln.
Gibt es einen bestimmten Komponisten der 8-Bit-Ära, den du verehrst? Welche musikalischen Highlights auf dem NES sprechen dich besonders an?
Jordan Ordorica:
Schwer zu sagen bzw. es auf einen konkreten Komponisten einzugrenzen. Ich mag viele der alten Soundtracks, speziell Mega Man, Castlevania, Gimmick aber auch Ninja Gaiden und viele, viele andere...
NES CENTER:
Vor ca. 10 Jahren hast du „Battle Kid 2“ veröffentlicht. Es fällt auf, dass ähnlich wie im ersten Teil kein Scrolling verwendet wird, sondern die Bildschirme umgeschaltet werden. Kannst Du ein wenig über die mit dem Scrollingverbundenen technischen Schwierigkeiten berichten?
Jordan Ordorica:
Über zukünftige Projekte kann ich an dieser Stelle noch nichts sagen. Single-Screen-Spiele sind tatsächlich einfacher technisch umzusetzen, Scrolling umfasst stets die aktuelle Kameraposition, die Nutzung von Sprites außerhalb der aktuellen Geschehnisse, die Erstellung des noch nicht betretenen Levelabschnitts....alles händisch in Assembler. Ich denke, ich würde mir so etwas zutrauen, zum aktuellen Zeitpunkt habe ich aber noch keine konkreten Pläne.
NES CENTER:
Ist dir eigentlich bewusst, dass du mit „Battle Kid“ eine Initialzündung gesetzt hast und seitdem viele neue tolle NES-Spiele erschienen sind? Vorher war die NES-Entwicklung nur auf dubiose Homebrew-Spielereihen begrenzt, doch mittlerweile werde wieder viele tolle neu entwickelte Spiele auch physisch verkauft - allen voran „Micro Mages“ und „Alwa's Awakening“.
Jordan Ordorica:
Ich habe „Alwa's Awakening“ gespielt. Ich weiß, dass sie mich in ihren Credits als Inspiration erwähnt haben... Es ist wirklich großartig zu sehen, dass wieder mehr und mehr Leute interessiert sind, Spiele für eine solch alte Hardware zu entwickeln.
NES CENTER:
Bisher kommen die meisten NES-Neuentwicklungen aus den USA, hier in Europa konkurrierte das NES damals auch im 8-Bit-Segment mit Sega und mit dem C64 von Commodore, hatte also nicht diese überragende Marktmacht wie in den USA. Gerade ältere Homecomputer wie der C64 erfahren hier aber dafür einen großartigen Softwarenachschub, etwa das NES-inspirierte „Sam's Journey“, das aktuell auch auf das NES portiert wird. Der Softwarenachschub in dieser Szene ist mitlerweile fast wieder vergleichbar wie zur kommerziellen Zeiten. Denkst du, das NES hat das Potential, sich auch zu solch einer populären Retroplattform zu entwickeln?
Jordan Ordorica:
Schwer zu sagen... Es gibt ja auch noch die Möglichkeit, dass man Titel produziert, die nicht explizit auf dem NES erscheinen, aber sehr stark von ihm beeinflusst sind, etwa „Shovel Knight“. Ich denke, das NES wird immer ein hohes Maß an Aufmerksamkeit generieren, soviel ist sicher!
NES CENTER:
Vom NES einmal abgesehen: Welche Nintendo-Plattform hatte auf dich den größten Einfluss?
Jordan Ordorica:
Ich denke das SNES, weil es die nächste Konsole war, die ich besaß. Ich erinnere mich noch gut an den Hype in den Videospielmagazinen damals...
NES CENTER:
Du bist ein aktiver Streamer von Retrospielen auf deinem YouTube-Kanal „Sivak Games“... Panzer Paladin, Guacamelee und Battle Kid: Denkst du, die Triple-A-Gaming-Industrie hat ein Stück weit den Geist der „guten alten 8-Bit-Zeit“ auf dem Gewissen?
Jordan Ordorica:
Das ist einer der Gründe, warum ich Twitch sehr schätze: Man findet durch sowas immer Gleichgesinnte, es wird immer Leute geben, die diese alte Gaming-Kultur zu schätzen wissen!
NES CENTER:
Lieber Jordan Ordirica, wir danken dir sehr herzlich für dieses interessante Gespräch und verbleiben mit herzlichen Wünschen für die anstehenden Weihnachtsfeiertage!
Jordan Ordorica:
Ich habe zu danken für das Interesse! Euch auch schöne Feiertage!
Das Interview führte Chancell am 21.12.2022.