Interview mit Andreas Lange
Auf der Games Convention 2003 in Leipzig war das Berliner Computerspiele Museum mit einem eigenen Stand vertreten, auf dem sich die Messegäste über die geschichtliche Entwicklung der Computer- und Videospiele informieren konnten. Ebenfalls konnten per Emulator alte Games ausprobiert werden. Dort trafen wir auch Andreas Lange, seines Zeichens Leiter des Museums. Heraus kam ein kleines Interview über seine Person, Retrospiele und natürlich das Computerspiele Museum.
NES CENTER:
Guten Tag, Herr Lange! Stellen Sie sich doch kurz vor und erzählen Sie etwas über Ihr Museum und die Geschichte, wie Sie dazu gekommen sind.
Andreas Lange:
Mein Name ist Andreas Lange, ich wohne in Berlin und bin Leiter des Computerspiele Museums, das Anfang 1997 in Berlin eröffnet wurde. Der Grund dafür war, dass wir einfach das Gefühl hatten, dass Computerspiele weit mehr sind, als nur ein Kinderspielzeug und um das auch ganz deutlich zu machen, fanden wir, dass es eine gute Idee wäre, eben auch ein richtiges Museum für Computerspiele zu gründen. Meine persönliche Motivation lag darin, dass ich meine Abschlussarbeit über Computerspiele geschrieben habe. Das war im Jahre 1994 im Fach Religionswissenschaften, was nicht mit Theologie zu verwechseln ist. Das war damals mein Einstieg ins Thema und auch gleich schon unter der Vorraussetzung gesehen, dass es sich bei Computerspielen um Kulturgut handelt. Diese Arbeit ist seinerzeit 2 Jahre früher fertig geworden und daher auch ein direkter Anknüpfungspunkt gewesen, das Museum zu gründen.
NES CENTER:
Handelt es sich beim Computerspiele Museum um eine dauerhafte Ausstellung? Machen Sie das beruflich?
Andreas Lange:
Meine Kollegen und ich machen das beruflich, ja. Wir haben 4 Jahre lang eine ständige Ausstellung in Berlin betrieben, die aber seit 2000 geschlossen ist. Seitdem arbeiten wir projektbezogen auf temporären Ausstellungen, meistens außerhalb von Berlin, wie z.B. jetzt auf der Games Convention in Leipzig. Wir sind aber guter Hoffnung, im Laufe des nächsten Jahres wieder eine große Ausstellung in Berlin eröffnen zu können, die dann länger zugänglich und mit festen Öffnungszeiten sein wird, wie man es auch von einem richtigen Museum erwartet.
NES CENTER:
Wie schätzen Sie das Interesse der heutigen Spieler an alten Videospielsystemen ein?
Andreas Lange:
Es ist sicherlich so, dass Geräte, wenn sie denn so richtig alt geworden sind, auch wieder interessant werden können, weil sie dann für die Kids und Jugendlichen etwas völlig neues sind, da sie diese halt nicht aus eigener Erfahrung kennen. Man muss so etwas dann natürlich richtig inszenieren - es reicht nicht aus, einfach nur das Gerät hinzustellen, sondern man sollte z.B. auch ein Spiel darauf spielen können (lacht). Noch wichtiger ist natürlich, dass man erzählt, was es mit diesem Gerät damals auf sich hatte und man so den Kids von heute vermittelt, wie das damals angefangen hat, wie die Atmosphäre war, wer gespielt hat und welchen Anfeindungen sich auch die frühen Gamer ausgesetzt sahen. Das erfordert natürlich auch eine Form von Kreativität, denn man muss auch Geschichten um die Geräte herum erzählen können. So funktionieren Ausstellungen. Unsere Erfahrung ist, dass es eigentlich auch eine sehr große Neugierde von den heutigen Gamern gibt, obwohl die alten Games erst mal etwas abschreckend wirken, aber wenn sie dann ein bisschen eingestiegen sind, fangen sie durchaus Feuer und ich meine, was kann's schöneres geben, als ein knackiges 2-Spieler Game aus den frühen 80er Jahren?
NES CENTER:
Wie umfassend ist Ihre Sammlung?
Andreas Lange:
Wir sammeln im Prinzip von den Anfängen bis hin zu ganz aktuellen Sachen. Unser Sammlungsbereich ist Home Entertainment, also Konsolen und Heimcomputer und keine Bürocomputer, Großrechner oder Vergleichbares. Das machen die Computer Museen - wir sind das Computerspiele Museum. Was die Hardware Seite angeht, haben wir eine recht komplette Sammlung, eigentlich alle Systeme, die in Europa erschienen sind. Auch Exoten und Importsysteme. Angefangen beim Odysee, dem aller ersten Heimvideospiel aus dem Jahre 1972 bis hin zur X-Box und anderen aktuellen Systemen. Software mäßig sammeln wir im Prinzip auch alles, wobei wir da auch sehr viel über Spenden bekommen und die Kisten, die dann so reinkommen, inventarisieren wir halt. Aber die reichen auch von den Anfängen bis hin zu aktuellen Sachen.
NES CENTER:
Kommen wir zu ein paar persönlichen Dingen. Was war ihr erstes Videospiel?
Andreas Lange:
Ich habe damals als Kind tatsächlich eine PONG-Heimkonsole gehabt. Das war ein Klon von Universum. In den 70er Jahren gab es ja eine ganze Flut von Nachbauten, die aber alle einen Chip von Motorola nutzen.
NES CENTER:
Haben Sie ein Lieblingssystem?
Andreas Lange:
Nein, ich habe kein Lieblingssystem. Ich muss auch sagen, dass ich die Unterscheidung zwischen Video- und Computerspielen mittlerweile nicht mehr als eine grundsätzliche Unterscheidung ansehe. Sie ist zwar wichtig, weil der Markt jeweils anders funktioniert und es ist natürlich etwas anderes, wenn ein freies System wie der PC einem Besitzer gehört, der kontrolliert, welche Software auf den Markt kommt. Den Unterschied mache ich durchaus, aber auf der anderen Seite ist eben festzustellen, dass Erfolgsspiele für alle Plattformen, für Konsolen wie auch Computer, erscheinen. Insofern vermischt sich das meiner Meinung nach immer mehr. Ich halte auch die Technik für nachrangig, was stimmen muss, ist das Gameplay.
NES CENTER:
Ja, das sehen wir genauso. Was halten sie eigentlich vom Nintendo Entertainment System?
Andreas Lange:
NES war eine knuffige, gute Konsole, die vor allem sehr preisgünstig verkauft wurde. Das war letztendlich das Erfolgsrezept. Sie war technisch solide, aber nicht State of the Art, wie z.B. die SEGA-Konsolen, die eben immer wieder auch technisch sehr innovativ waren, es aber eben aus anderen Gründen dann nie geschafft haben. Und natürlich stimmte der Software-Support vom NES und das war das Entscheidende. Wir zeigen hier auf der Messe Super Mario Bros., das damals dem NES beigelegt wurde. Es ist ein geniales Spiel und die Leute wollten dieses Spiel haben, deswegen haben sie sich auch das NES gekauft. Und Dank des bleibenden Software-Supports kamen bis zum Schluss gute Spiele fürs NES auf den Markt und so ist es dann auch zur meistverkauftesten Videospielkonsole aller Zeiten geworden.
NES CENTER:
Bleiben wir beim Thema Software. Gibt es da ein Spiel, dass sie besonders fasziniert hat?
Andreas Lange:
Da würde ich jetzt eigentlich keines herausheben wollen. Es hat sich auch gewechselt, muss ich sagen. Ich habe früher gerne Adventures gespielt, das hat aber etwas nachgelassen, da ich auch nicht mehr die Zeit und die Geduld dafür habe. Jetzt mag ich ganz gerne solche Stealth-Shooter, ein bisschen mit Schleichen und schon auch mit Schießen, das gefällt mir gut. Aber keine 3D-Actionspiele.
NES CENTER:
Und wenn sie heute privat zum Spielen kommen, sind das dann vorwiegend alte Spiele oder doch eher die neueren?
Andreas Lange:
Es vermischt sich, denn ich muss auch aus beruflichen Gründen spielen. Ich meine, für eine Ausstellung mit alten Spielen muss ich die alten Spiele spielen und für andere Bereiche wie Vorträge oder Texte muss ich mich auch immer aktuell halten und insofern spiele ich beides.
NES CENTER:
Viele Spieler sind der Meinung, dass Computer- und Videospiele früher innovativer waren und stärker motivieren konnten. Wie sehen Sie die Entwicklung von Spielen und deren Qualität?
Andreas Lange:
Ich glaube nicht, dass die früheren Games besser waren. Sie mussten in gewisser Weise klarer und einfacher zugänglich sein, weil sie eben in den Spielhallen groß geworden sind und in Spielhallen kann man nicht großartig herum erklären. Da muss es zünden. Und wenn es nicht gleich zündet, hat man als Hersteller Pech gehabt. Insofern war eine leichte Zugänglichkeit dar. Die Games sind dann mit der Zeit komplexer geworden. Wobei, wenn man sich heute die interaktiven Manuels anguckt, dann ist es schon sehr geil, was da teilweise gemacht wird und wie man auch ohne Handbuch interaktiv in sehr komplexe Spiele einsteigen kann. Ich finde aber auch im Gegenzug, dass die heutigen Games nicht irgendwie besser geworden sind. Damals stand die Idee eben noch sehr im Mittelpunkt. Es ging immer schon um die Technik, aber sicherlich waren die Möglichkeiten limitiert - heute hat man da sehr, sehr viele Möglichkeiten und viele Produktion konzentrieren sich doch so stark auf die Technik, dass dann vom Budget her auch gar nicht mehr so viel für die Entwicklung eines guten Gameplays übrig bleibt. Und da hat sich schon etwas verschoben, wobei heutzutage bei den richtigen Erfolgstiteln natürlich beides stimmt.
NES CENTER:
Wie sieht denn das bisherige Feedback zu Ihrem Stand aus?
Andreas Lange:
Also was jeder direkt sieht: Es ist voll. Unsere kleine Ausstellung scheint zu funktionieren. Das ist immer ein bisschen spannend, zumal wir auch gerne immer wieder neue Sachen ausprobieren. Wir haben hier erstmalig nur aktuelle PCs und spielen die alten Spiele über Emulatoren rein, um eben bei so einer Massenveranstaltung wie der Game Convention auch interaktiv etwas anbieten zu können, was wir mit original historischen Exponaten nicht machen könnten, weil die kaputt gehen- und geklaut werden würden - weiß der Teufel was. Wir haben hier ein neues Fächersystem, mit dem sich die Besucher die Texte zu den Exponaten durchlesen können und das scheint alles sehr gut zu funktionieren.
NES CENTER:
Noch ein Abschlusskommentar?
Andreas Lange:
Ich freue mich, dass es Leute wie euch gibt, die eine alte Konsole lebendig halten. Das finde ich ganz toll und wichtig. Ich meine, wir sind quasi eine Institution, machen das als Profis und verdienen tatsächlich unser Geld damit, aber ich denke, es gehört ebenso die Community dazu, die das auch aus entsprechender Leidenschaft heraus tut, die wir sicherlich auch haben, aber es ist bei uns eben noch etwas anders gelagert. Deswegen finde ich das sehr prima und bin sehr froh, euch hier getroffen zu haben. Und ich grüße alle eure Fans von der Seite!
NES CENTER:
Vielen Dank für das Gespräch!