Interview mit René Meyer


von Yamato
21.08.2011

Auf der Gamescom 2011 in Köln schauten wir bei der Ausstellung „Retro Gaming“ vorbei, wo der Leipziger Journalist René Meyer in Kooperation mit anderen Sammlern die größte Sammlung historischer Spielkonsolen und Heimcomputer zeigte, die je in Deutschland zu sehen war. Neben Klassikern wie NES und Commodore 64 wurden hier auch zahlreiche Raritäten gezeigt, wie etwa die erste Spielkonsole Magnavox Odyssey von 1972. Auf dem Messestand trafen wir René Meyer, der mit seiner Konsolensammlung übrigens schon 2007 ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen wurde. Natürlich ließen wir uns nicht die Gelegenheit nehmen, mit René ein ausführliches Interview zu führen. Im Folgenden findet ihr unser Gespräch über die Ursprünge seiner Sammlung, die Ausstellung und die Faszinationskraft klassischer Videospiele.


NES CENTER:

Hallo René! Als erstes würden wir gerne etwas mehr zu deiner Person und wie du zum Thema Videospiele gekommen bist erfahren...


René Meyer:

Bereits in den 80er Jahren habe ich in der DDR als Schüler die Programmiersprache BASIC gelernt. Nach der Wende passierten dann zwei Dinge: Zum einen konnte ich mir endlich die Computer kaufen, mit denen ich zuvor an der Volkshochschule und an der Universität programmiert hatte, und zum anderen wurde ich Journalist für Computer- und Spielethemen. Dabei musste ich feststellen, dass ich einen unheimlich großen Nachholbedarf hatte, da ich in den 70er und 80er Jahren die Systeme von Atari, Nintendo & Co. gänzlich verpasst hatte. Also begann ich damit, zunächst Biographien und später dann Zeitschriften zu lesen.


NES CENTER:

Wie hat sich dieser Nachholbedarf für dich geäußert?


René Meyer:

In Zeitschriften wurden z.B. häufiger aus der damaligen Zeit heraus ältere Spiele oder Systeme als Referenzen genannt oder über sie berichtet, über die ich bislang nichts oder wenig wusste. Schließlich kündigten sich dann Mitte der 90er Jahre neue Konsolengenerationen an, wie das Nintendo 64, sodass die Leute damit begannen, sich auf ein neues Super Mario oder The Legend of Zelda zu freuen. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich mich noch nicht mitfreuen, weil ich diese Spiele gar nicht kannte. Also besorgte ich mir ein Super Nintendo und war schließlich völlig von den alten Nintendo-Spielen geflasht – vor allem von The Legend of Zelda – A Link to the Past. Mit derartigen Meilensteinen, die so gut zu spielen waren und mit liebervoller Grafik und Musik präsentierten wurden, öffnete sich mir ein komplett neue Welt.


NES CENTER:

Wie kam es zu deiner umfangreichen Spielesammlung?


René Meyer:

Völlig begeistert von den alten Softwareperlen fing ich ganz einfach an, mehr und mehr davon zu kaufen (lacht). Ende der 90er erblickte schließlich eBay das Licht der Welt. Das veränderte alles, da man von nun an wirklich so gut wie alles bekommen konnte – egal ob alte Konsolen, Zeitschriften oder Importsachen. Zudem war ich ja Spielejournalist. In den 20 Jahren, die ich diesen Beruf ausgeübt habe, behielt ich instinktiv jedes Testmuster, das ich bekommen habe, darunter auch Lerncomputer aus den 90er Jahren, die dort vorne mittlerweile als Exponate in der Vitrine stehen.


NES CENTER:

Kannst du dich noch an deinen größten Kauf erinnern?


René Meyer:

Ende 1997 wurde auf eBay eine unheimlich große Konsolensammlung angeboten: Knapp 100 Systeme auf einmal. Ich habe mir gedacht, dass man verrückt sein müsste, so etwas zu kaufen. Aber dann habe ich mich durch diese tollen Auktionsfotos geklickt, wobei ich auch die erste Spielekonsole überhaupt entdeckt habe – ein Magnavox Odyssey – und dachte mir schließlich, dass ich genau ein einziges Mal mitbieten würde und danach das Schicksal entscheiden lasse. Zu dem Zeitpunkt gab es noch gar keine Gebote. Nach dem Auktionsende bin ich dann zu meiner Frau gegangen und sagte zu ihr „Ich hab’ da was gekauft...“

(Lachen)

Zwei Wochen später kamen dann zwei Europaletten mit den ganzen Geräten darauf bei mir an. Mit meiner bisherigen Sammlung zusammengenommen hatte ich zu diesem Zeitpunkt dann um die 150 Konsolen und Heimcomputer. Zunächst habe ich das alles aber noch vorrangig als Archiv für meine journalistische Tätigkeit genutzt.


NES CENTER:

Später wurde aus deiner privaten Sammlung ja schließlich eine öffentliche Ausstellung...


René Meyer:

Als gebürtiger Leipziger hatte ich bereits seit den Anfängen der Games Convention viel mit der Leipziger Messe zu tun, indem ich etwa in Form der Pong-Ausstellung Events rund um die Games Convention mitorganisiert oder auch die GC-Bücher geschrieben habe. Irgendwann habe ich dann die Leipziger Messe gefragt, was sie von einer Konsolenausstellung auf der Games Convention halten würden – aufgrund der guten Zusammenarbeit bislang gab man mir schnell eine Zusage. Allerdings wollte ich auf der Messe dann nicht nur die Geräte zeigen, die ich bislang hatte, sondern möglichst alles, was es zu zeigen gibt. Etwa ein halbes Jahr lang habe ich dann mithilfe von Winnie Forsters Gameplan-Buch noch unheimlich viel dazugekauft, bis ich zum Beginn der Messe dann eine wirklich große und stattliche Sammlung präsentieren konnte, die 2007 als weltgrößte Ausstellung von Spielkonsolen ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen wurde.


NES CENTER:

Hast du vor, diesen Rekord noch mal zu toppen?


René Meyer:

Ja, hier und jetzt auf der Gamescom 2011! Durch eine Kooperation mit Sammlern aus anderen Spezialgebieten werden wir den Rekord von 2007 dieses Jahr noch mal übertreffen können, da wir hier von der Kölnmesse noch etwas mehr Ausstellungsfläche gesponsert bekommen haben.


NES CENTER:

Auf welche Ausstellungsstücke bist du besonders stolz?


René Meyer:

Zum einen auf das „Vectrex“, die Konsole von 1982 mit dem eingebauten Hochformat-Bildschirm und Vektorgrafiken. Dann auf das „iCADE“, ein Arcade Cabinet für das Apple iPad, welches ursprünglich nur der Aprilscherz eines Magazins war und schließlich aufgrund der großen Nachfrage tatsächlich in Produktion ging. Zuletzt finde ich es sehr schön, dass wir hier zum ersten Mal die Apple „Lisa“ zeigen können, den recht unbekannten Vorläufer des Macintosh.


NES CENTER:

Wenn man sich hier am Stand umsieht, scheinen die Besucher ja sehr gut auf die Ausstellung anzuspringen und zocken die alten Spiele auch gerne Probe...


René Meyer:

Die Leute freuen sich natürlich, wenn sie hier ihr altes Gerät wiedersehen und auch benutzen können, indem sie z.B. etwas am NES, Master System oder C64 spielen. Gleichzeitig ist es für sie aber auch spannend, etwas zu sehen, was sie vorher noch nie zu Gesicht bekommen haben und über das sie vielleicht vor Jahren mal etwas gelesen haben. Beispielsweise haben wir hier am Stand mit dem „Panasonic Q“ eine Sonderausgabe des Nintendo GameCubes mit eingebautem DVD-Player, dann noch Spiele auf Laser Disc, einen DDR-Computer und noch vieles mehr.


NES CENTER:

Wie viel Aufwand war es, das alles hier aufzubauen?


René Meyer:

Der Aufbau der Vitrinen hat insgesamt 20 Stunden gedauert. Ich hoffe, die Leute entdecken auf ihrem Rundgang über den Stand auch so kleine Details wie eine aus dem Amiga herausguckende Turrican-Diskette mit einer daneben liegenden Turrican-Soundtrack-CD, welche von Chris Hülsbeck signiert wurde. Mir war es besonders wichtig, dass die Vitrinen durch derartige Gimmicks mit viel Leben gefüllt werden.


NES CENTER:

Welches sind denn so die interessantesten Ausstellungsstücke aus dem NES-Bereich?


René Meyer:

Auf jeden Fall der NES-Roboter „R.O.B.“ oder auch die etwas seltene japanische Konsolenversion „Twin Famicom“, welches ein gewöhnliches Modul-Famicom und ein Famicom Disk System in sich vereint. Auch die schönen japanischen Spielepackungen sind natürlich einen Blick wert.


NES CENTER:

Hast du unter deinen unzähligen Spielekonsolen und Heimcomputern einen persönlichen Favoriten?


René Meyer:

Ja, vom Optischen her ist es auf jeden Fall das Vectrex – der eingebaute Monitor, die drauflegbaren Folien, der tolle Arcade-Sound – für mich ist dieses Gerät einfach ein Gesamtkunstwerk! Meine Spielekonsole für die einsame Insel wäre aber bestimmt ein Super Nintendo. Die Spiele aus den 70ern wie z.B. Pac-Man und Space Invaders spielt man zwar gern, aber ich könnte mich damit auch nicht stundenlang beschäftigen. Die Spiele aus der Zeit der späten 80er fesseln dagegen z.T. richtig lange und haben einen Grafikstil, der mir sehr gut gefällt. Auch die tollen Soundtracks mit oft ausgefeilten Melodien faszinieren mich. Genau wie in Filmen wie z.B. Star Wars macht auch bei Spielen die Musik viel aus.


NES CENTER:

Als Team von NES CENTER wollen wir dich natürlich auch fragen, was du vom Vorgänger des Super Nintendos hältst...


René Meyer:

Das NES war für mich natürlich nicht unwichtig. Eines der ersten Bücher, die mich Anfang der 90er sehr inspiriert haben, war „Nintendo Game Boy“ von David Sheff, in dem man unglaublich viel über diese Konsole erfährt und wie sie den sterbenden Videospielmarkt damals in den USA und Europa durch neue Standards und Spiele wie Super Mario Bros. oder The Legend of Zelda wieder aufgepeppelt hat.


NES CENTER:

Warum sind die klassischen Videospiele heute immer noch so beliebt?


René Meyer:

Die Spielprinzipien haben sich seit damals eigentlich nicht wesentlich verändert, da sie heutzutage immer noch funktionieren und Spaß machen. Beispielsweise wird heutzutage das gute, alte Tetris immer wieder neu aufgelegt, weil es den Leuten immer noch gefällt. Viele aktuelle Spiele und deren Spielprinzipien basieren auf den Erfindungen aus den 70er und 80er Jahren, die bei neueren Spielen oft nur umgemodelt werden. Wobei das nicht bedeuten muss, dass Spiele nicht auch von einer realistischeren Grafik profitieren können – Spiele wie Half-Life 2, Far Cry oder Unreal haben mir besonders wegen ihrer tollen 3D-Grafik Spaß gemacht. 3D-Grafik kann aber auch vieles kaputt machen, was man z.B. an 3D-Adaptionen wie „Worms 3D“ zu spüren bekam. Zudem altert 3D-Grafik viel schlechter als gutgemachte 2D-Grafik. Deshalb sind so viele 8- und 16-Bit-Spiele einfach zeitlos.


NES CENTER:

Wo siehst du dich mit deiner Sammlung in einigen Jahren?


René Meyer:

Die Sammlung wächst ständig weiter, da ich fast täglich auf eBay Ausschau nach neuen Sachen halte. Vorrangig sind dies aber kleinere Geräte, da diese nicht so viel Platz wegnehmen. Es gibt z.B. noch diese großen Büro-Rechner, die ich aus Platzgründen nicht anschaffen will (lacht). Der ultimative Traum eines jeden Sammlers ist natürlich ein eigenes Museum. Meine Vision wäre aber nicht nur ein reines Spielemuseum, sondern eine Institution, die sich ganzheitlich diesem Medium widmet – neben Museumsräumen durch ein Games-Café, Seminarräume für Workshops, Vortragssäle z.B. für Spielemusikkonzerte oder auch eine Bibliothek. Dazu bedarf es aber auch einer Stärkung der deutschen Videospielindustrie z.B. durch eigene Studiengänge.


NES CENTER:

Kanntest du eigentlich schon vorher unsere Webseite?


René Meyer:

Ja!


NES CENTER:

Dann hast du doch sicher noch ein Abschlusswort für unsere Leser parat.


René Meyer:

Natürlich: „Spielt weiterhin NES!“ (lacht)


NES CENTER:

Vielen Dank für das Gespräch!